Ein persönlicher Blick hinter die Kulissen
Wie alles begann – und warum mich die Geschichte nicht mehr losgelassen hat.
In diesem Abschnitt teile ich meine Gedanken, die mich beim Schreiben von „Der letzte Herzschlag“ begleitet haben. Es geht um erste Ideen, innere Fragen, echte Fälle, Gespräche mit Fachleuten – und den Moment, in dem mir klar wurde: Das wird mehr als ein Krimi.
Am Anfang stand ein Gefühl. Kein Plot, kein Konzept – sondern eine leise Vorstellung: Was passiert, wenn jemand verschwindet, den niemand so richtig vermisst? Wenn eine Frau in den Akten auftaucht, aber nicht im Leben der Menschen um sie herum? Diese stille Abwesenheit hat mich nicht losgelassen.
Die Figur von Jana Berg entstand fast parallel dazu. Ich wollte eine Ermittlerin schaffen, die nicht überlebensgroß ist – sondern menschlich, wachsam, leise. Jemand, der zuhört, bevor er urteilt. Und jemand, der gezwungen ist, genau in dem Moment innezuhalten, in dem sie eigentlich aufbrechen will – nämlich durch ihre Schwangerschaft. Dieser Widerspruch war der Auslöser für vieles, was folgte.
Die Idee, Klara in eine Selbsthilfegruppe einzuführen, kam durch eine Reportage über emotionale Abhängigkeit in Gruppendynamiken. Je mehr ich darüber las, desto klarer wurde mir: Das wahre Rätsel liegt nicht in einem Verbrechen, sondern in der Frage, wie leicht sich Kontrolle als Hilfe tarnen kann. Ich habe mit Psycholog:innen gesprochen, mich mit Fallbeispielen beschäftigt, aber auch mit ganz normalen Menschen, die Erfahrungen mit emotionaler Manipulation gemacht haben. Viele dieser Gespräche haben Spuren hinterlassen – nicht nur im Buch.
Lübeck war von Beginn an eine bewusste Wahl. Eine Stadt, die historisch aufgeladen, aber nicht überinszeniert ist. Sie trägt eine eigene Melancholie in sich, eine Mischung aus norddeutscher Zurückhaltung und maritimer Geschichte. Keine laute Metropole, keine überzeichnete Kulisse – sondern ein Ort, der Raum lässt für das, was zwischen den Zeilen passiert.
Die Stadt ist im Roman keine dokumentarisch genaue Abbildung. Vielmehr bildet sie die Grundlage für eine fiktive Topografie – zusammengesetzt aus Fragmenten, aus Karten, Berichten, Erzählungen. Aus Bildern im Kopf. Es geht nicht um Straßennamen oder exakte Gebäude. Denn mir ging es nie um eine minutiös korrekte Abbildung – sondern um ein Gefühl. Ein fiktives Lübeck, das sich echt anfühlt. Die Gassen, die Backsteinfassaden, der Nebel über der Trave – all das ist Vorstellung, gespeist aus Recherche, Intuition und einer großen Portion Einbildungskraft. Vielleicht war es gerade diese Distanz, die mir erlaubte, die Schauplätze freier zu gestalten.
Die Polizeidirektion, das Fabrikgelände, Janas Wohnung – all diese Orte sind Konstrukte, zusammengesetzt aus Eindrücken, Gesprächen und inneren Bildern. Ich wollte, dass sie wirken wie Orte, die man kennen könnte. Vielleicht nicht exakt so – aber nah genug, um sie zu spüren. Denn am Ende geht es nicht darum, wo genau etwas passiert. Sondern darum, wie es sich anfühlt, dort zu sein.
Was mir beim Schreiben besonders wichtig war: Der Fall sollte nicht nur die Wahrheit über das Opfer ans Licht bringen, sondern auch über die Ermittlerin selbst. Jana muss sich fragen, wie weit sie gehen darf – beruflich, menschlich, emotional. Dieser innere Konflikt hat die Geschichte getragen, mehr als jede Wendung oder Spur.
„Der letzte Herzschlag“ ist deshalb kein klassischer Krimi. Es ist eine Geschichte über Stille, über Nähe, über das, was wir nicht aussprechen – und trotzdem spüren. Ich hoffe, dass die Leser:innen nicht nur miträtseln, sondern mitfühlen. Und vielleicht erkennen, dass Wahrheit oft leise beginnt.